13.01.2012

Keine Altersdiskriminierung bei Einstellung, Urlaub und Entlassung von Arbeitnehmern!

Nach der Entscheidung 2 ARZ 42/10 des Bundesarbeitsgerichts vom 15.12.2011 verstoßen die Regelungen des Kündigungsschutzgesetzes zur Sozialauswahl nicht gegen das Verbot der Altersdiskriminierung in der Richtlinie 2000/78/EG. Bei der Anwendung des Kündigungsschutzrechts sind aber die Vorschriften dieser europäischen Richtlinie und des Allgemeinen Gleichbehandlungsgesetzes zu berücksichtigen.

So hat das Landesarbeitsgericht Köln in einer Entscheidung vom 24.05.2011 die Sozialauswahl bei einer betriebsbedingten Kündigung für rechtsunwirksam erklärt, da eine Altersdiskriminierung vorlag. Dort war ein 53jähriger kinderloser Mitarbeiter gekündigt worden, obwohl für die gleiche Tätigkeit noch ein 35 Jahre alter Mitarbeiter mit 2 Kindern vorhanden war, der etwa eine gleich lange Betriebszugehörigkeit hatte. Die Kündigung des älteren Arbeitnehmers hielt das Landesarbeitsgericht Köln für unwirksam, weil der jüngere Arbeitnehmer weitaus bessere Chancen hatte, alsbald eine neue Arbeit zu finden, so dass mit hoher Wahrscheinlichkeit seine Unterhaltspflichten für die Kinder gar nicht beeinträchtigt wären.

Auch bei der Durchführung des Arbeitsverhältnisses sind die Vorschriften des Allgemeinen Gleichbehandlungsgesetzes zu beachten, nach denen eine unterschiedliche Behandlung wegen des Alters nur ausnahmsweise zulässig ist, wenn sie objektiv und angemessen und durch ein legitimes Ziel gerechtfertigt ist. Dies hat das Arbeitsgericht Wesel in einem Urteil vom 01.08.2010 (nicht rechtskräftig) verneint bei der Urlaubsregelung des Manteltarifvertrags für den Einzelhandel NRW, die bis zum 20. Lebensjahr 30 Urlaubstage vorsieht und nach dem vollendeten 30. Lebensjahr 36 Urlaubstage. Es seien nämlich keine objektiv vertretbaren Gründe für die Urlaubsstaffelung im Tarifvertrag erkennbar, die eine Diskriminierung der jüngeren Arbeitnehmer wegen ihres Alters ausschließen.

Zu dem Bereich der Stellenbewerbungen hat das Bundesarbeitsgericht unter 8 AZR 530/09 einem 50jährigen Volljuristen eine Entschädigung zugesprochen, der ohne Einladung zum Vorstellungsgespräch die Absage eines Unternehmens erhielt, dass für die Rechtsabteilung eine(n) junge(n) engagierte(n) Volljuristin/ Volljuristen suchte. Mit dieser Formulierung war zwar die Diskriminierung wegen eines männlichen oder weiblichen Geschlechts vermieden worden, nicht aber die Altersdiskriminierung, da Stellen grundsätzlich altersneutral auszuschreiben sind, sofern nicht ausnahmsweise objektive und angemessene legitime Ziele entgegenstehen.

Ganz frisch in diesem Zusammenhang ist eine Entscheidung des OVG Lüneburg vom 01.01.2012 mit der der Klage einer Beamtin auf Schadensersatz wegen Altersdiskriminierung teilweise stattgegeben wurde. Die damals 53jährige Klägerin hatte sich erfolglos um die Stelle einer ersten Gemeinderätin als allgemeine Vertreterin des Bürgermeisters beworben. Nach dem Ergebnis der Beweisaufnahme war die Klägerin nur allein aufgrund ihres Alters von vornherein aus dem Auswahlverfahren ausgeschlossen worden. Dafür sprach ihr das OVG Lüneburg eine Entschädigung eines Monatsgehalts (4.864,61 €) zu.

Bei Beginn, Durchführung und Beendigung des Arbeitsverhältnisses sind dementsprechend Diskriminierungen wegen des Alters grundsätzlich unzulässig. Eine finanzielle Entschädigung können Arbeitgeber dabei nur vermeiden, wenn sie ein legitimes Ziel für die ungleiche Behandlung angeben können, das mit angemessenen und erforderlichen Mitteln verfolgt wurde. Es steht demnach zu erwarten, dass nicht nur im Hinblick auf die sich ändernde Art der Struktur der Bevölkerung, sondern auch im Hinblick auf den Druck durch europäische Richtlinien und deutsche Gerichte Altersdiskriminierungen künftig vermieden werden können.

Martin Löbbecke,
Rechtsanwalt und Fachanwalt für Arbeitsrecht in Gladbeck