22.06.2012

Verdeckte Videoüberwachung durch den Arbeitgeber?

Nach ständiger Rechtssprechung verbietet das allgemeine Persönlichkeitsrecht grundsätzlich eine dauerhafte Überwachung von Arbeitnehmern durch heimliche Videoaufnahmen. Das Hessische Landesarbeitsgericht hat in einem Urteil vom 26.01.2011 noch einen Arbeitgeber zur Zahlung von 7.000,00 Schmerzensgeld verurteilt, weil dieser eine Mitarbeiterin über mehrere Monate permanent mit einer Videokamera am Arbeitsplatz überwacht hatte. Der Arbeitgeber wollte sich in diesem Verfahren damit herausreden, es sei in der Vergangenheit schon zu Übergriffen auf Mitarbeiter gekommen und deshalb hätten die Arbeitnehmer geschützt werden sollen. Das Landesarbeitsgericht konnte der Argumentation nicht folgen, zumal die Kamera nicht ausschließlich auf den Eingangsbereich ausgerichtet war und alleine die Unsicherheit der Mitarbeiter, ob die Kamera nunmehr laufend aufzeichnet oder nicht zu einem ständigen Überwachungsdruck führte. In dem dortigen Verfahren hatte der Arbeitgeber die Kamerabeobachtung fortgesetzt, obwohl die betreffende Mitarbeiterin ausdrücklich dieser Verfahrensweise widersprochen hatte.

Ein Freibrief ist für Arbeitnehmer damit aber nicht verbunden. So hatte das Bundesarbeitsgericht in einer aktuellen Entscheidung vom 21.06.2012 zu einer fristlosen Kündigung wegen der Entwendung von Zigarettenpackungen einer weiteren Aufklärung der Umstände der Videoüberwachung für notwendig gehalten. In diesem Falle hatte eine Verkäuferin nach zehnjähriger Betriebszugehörigkeit mindestens zwei Zigarettenpackungen gestohlen und war durch eine verdeckte Videoüberwachung dieses Diebstahls überführt worden. Zwar war das durch verdeckte Videoüberwachung gewonnene Beweismaterial nicht ohne Weiteres verwertbar; das bundesweit tätige Einzelhandelsunternehmen konnte aber geltend machen, dass der Verdacht bestanden hatte, dass Mitarbeiterdiebstähle zu hohen Inventurdifferenzen beigetragen hatten. Der zweite Senat des Bundesarbeitsgerichts hat daraufhin eine weitere Aufklärung durch das Landesarbeitsgericht verlangt unter Hinweis auf die notwendige Interessensabwägung zur Verwertbarkeit des Videomaterials. Das Arbeitgeberinteresse an der Aufklärung von Straftaten hat gegenüber dem Schutz des informationellen Selbstbestimmungsrechts von Arbeitnehmern im Rahmen dieser Abwägung ein höheres Gewicht, wenn die Art der Informationsbeschaffung trotz der mit ihr verbundenen Persönlichkeitsbeeinträchtigung als schutzbedürftig zu qualifizieren ist. Dies ist bei verdeckter Videoüberwachung nur dann der Fall, wenn der konkrete Verdacht einer strafbaren Handlung oder einer anderen schweren Verfehlung zu Lasten des Arbeitgebers besteht und es keine andere Möglichkeit zur Aufklärung durch weniger einschneidende Maßnahmen mehr gab und die Videoüberwachung insgesamt nicht unverhältnismäßig war. Dazu müssen alle Umstände des Einzelfalles aufgeklärt werden.

 

Martin Löbbecke,
Rechtsanwalt und Fachanwalt für Arbeitsrecht in Gladbeck