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Urteilsspiegel Arbeitsrecht
Nach ständiger Rechtssprechung der Arbeitsgerichtsbarkeit darf ein Arbeitgeber im Einstellungsgespräch eine Stellenbewerberin nicht nach einer Schwangerschaft fragen, weil darin eine unmittelbare Benachteiligung wegen des Geschlechts liegt. Eine schwangere Frau braucht deshalb weder von sich aus, noch auf entsprechende Frage vor Abschluss des Arbeitsvertrages eine bestehende Schwangerschaft mitteilen. Sie hat also bei Fragen zur Schwangerschaft ein Recht zur Lüge. Dies gilt nach einem Urteil des europäischen Gerichtshofs vom 04.10.2001 sogar dann, wenn von Anfang an nur ein befristeter Arbeitsvertrag begründet werden soll und die Bewerberin während eines wesentlichen Teils der Vertragslaufzeit gar nicht arbeiten kann.
Das Arbeitsgericht Bonn hat in einem Urteil vom 26.04.2012 die Sachlage anders gesehen, wenn die betreffende Stellenbewerberin befristet zur Vertretung einer schwangeren Mitarbeiterin eingestellt wird. Bei der Schwangerschaft besteht ein besonderer Kündigungsschutz, sodass der Arbeitgeber sich nur bei arglistiger Täuschung von dem neuen Arbeitsverhältnis lösen kann. In dem dort entschiedenen Fall hatte der Arbeitgeber deshalb den Arbeitsvertrag wegen arglistiger Täuschung angefochten. Er meinte es sei ihm unzumutbar, zur Vertretung einer schwangeren Mitarbeiterin eine weitere schwangere Mitarbeiterin einzustellen, die er dann ebenfalls vertreten lassen muss.
Das Landesarbeitsgericht Köln hat nunmehr in einer am 07.12.2012 erschienen Entscheidung 6 Sa 641/12 die Anfechtung des Arbeitsvertrags für unwirksam erklärt. Auch wenn der befristete Vertrag zur Vertretung einer ebenfalls schwangeren Mitarbeiterin dienen soll ist keine Ausnahme begründbar. Offen gelassen wurde vom Landesarbeitsgericht Köln nur die Frage einer möglichen Ausnahme von diesem Grundsatz, wenn ein dauerhaftes Beschäftigungsverbot zum Schutz von Mutter oder Kind von Anfang an bestanden hatte. Das war in dem dort entschiedenen Fall aber nicht gegeben, da die dortige Mitarbeiterin bis zur Erklärung der Anfechtung des Arbeitsvertrags gearbeitet hatte.
Der Arbeitgeber aus Bonn wird sich demnach nunmehr um die Schwangerschaftsvertretung für seine beiden schwangeren Mitarbeiterinnen auf dem selben Arbeitsplatz kümmern müssen. Dabei wird er allerdings die Stellenausschreibung nicht auf einen männlichen Bewerber beschränken können da dies eine Diskriminierung wegen des Geschlechts wäre. Eine Stellenausschreibung ausschließlich für ältere Mitarbeiterinnen wäre unzulässig, da dieses eine Altersdiskriminierung darstellen würde. Der arme Kerl wird sich also seiner „Risikogruppe“ erneut aussetzen müssen …
Es sei dahingestellt, ob es den Arbeitgeber trösten kann, dass die Gefahr einer dritten Schwangeren auf dem gleichen Arbeitsplatz statistisch gesehen sicher weitaus niedriger anzusetzen wäre, als die Chance sechs Richtige im Lotto zu gewinnen ...
Martin Löbbecke,
Rechtsanwalt und Fachanwalt für Arbeitsrecht in Gladbeck